Anlageentscheid


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NZZ vom 30. Januar 2001  

Wegmarken der Auswahl

Wie ein guter Anlageentscheid getroffen werden kann

Die Fülle von Anlageprodukten stellt die Investoren vor wachsende Herausforderungen in der Produkteauswahl und der Pflege der Portefeuilles. Ein qualitativ guter undüberlegter Anlageentscheid erfordert eine detaillierte Festlegung der persönlichen Anlageziele und eine zielgerichtete Informationssuche.

Von Martin Leber*

Kapitalanleger sehen sich neben zahlreichen einzelnen Papieren wie Aktien  oder Obligationen  einer grossen Anzahl kollektiver Anlageprodukte (beispielsweise Anlagefonds  oder Zertifikate) mit unterschiedlichem Anlageuniversum gegenüber. Der einzelne Investor ist bei der Festlegung seiner Anlagepolitik gut beraten, die Wertpapiertypen entsprechend genau definierten persönlichen Investitionszielen zu kombinieren. Die damit verbundene Diversifikation der Anlagerisiken  hilft,wenn sich je nach Situation an den Finanzmärkten einzelne Portfoliokomponenten deutlich zuungunsten des Anlegers entwickeln. Zudem sollten sich die Investoren für absehbare und unabsehbare Änderungen der persönlichen finanziellen Verhältnisse frühzeitig wappnen.

Das persönliche Profil festlegen

Die individuelle Anlagepolitik ist von mehreren Einflussfaktoren abhängig. Die persönlichen Renditeziele  stehen mit der Einstellung des Anlegerszu den entsprechenden Anlagerisiken  in direktem Zusammenhang: Höhere Renditeziele führen zu entsprechend höheren Preisrisiken (und umgekehrt). Die Definition der angestrebten Wertentwicklung sollte umsichtig geschehen, um unrealistische Renditeerwartungen, unangemessene Anlageentscheide und Enttäuschungen über die Wertentwicklung zu vermeiden. Die subjektive Risikoneigung legt fest, welche maximalen Wertschwankungen des Portfolios ein Investor akzeptiert. Je tiefer die Risikoneigung ist, desto höhersollte der Anteil der Investitionen in festverzinsliche Wertpapiere sowie in die Heimmärkte sein (und umgekehrt).  Mit einem höheren Anteil an Wertpapieren in der Heimwährung begrenzt der Anleger das Risiko von Währungsverlusten. Im Gegenzug entgehen ihm aber möglicherweise auch Währungsgewinne.

Die objektive Risikofähigkeit hängt davon ab, inwieweit ein Anleger Ersparnisse in Wertpapierkategorien mit unterschiedlichen Rendite- und Risikomerkmalen investieren kann. In diesem Zusammenhang spielt der zeitliche Anlagehorizonteine  wichtige Rolle. Ersparnisse, die in einem absehbaren Zeitrahmen für den Konsum Verwendung finden, weisen bei der Finanzanlage in der Regel ein geringeres Risikoprofil auf als Ersparnisse, die der Anleger voraussichtlich mehrere Jahre nicht benötigt. Die Anlagebedürfnisse variieren hierbei je nach Lebensalter. Mit zunehmendem Alter wächst der Anteil der langfristig verfügbaren Ersparnisse. Doch einige Jahre vor der Pensionierung beginnt der Anleger vorzugsweise damit, das Risikoprofil des Portfolios - etwa durch die Verminderung des Aktienanteils - sukzessive zu verringern. Fachpersonen oder virtuelle «Investment-Adviser» auf den Internet-Seiten einiger Banken (z. B. Vontobel) können helfen, die angemessene Portfoliostruktur festzulegen.

Performance-Eigenschaften

Das einfachste Mittel zur Abdeckung der Anlageziele sind gemischte Fonds, da gute Informationen über deren Rendite- und Risikoeigenschaften - nach Massgabe historischer Entwicklungen- verfügbar sind. Manche Anleger bevorzugen jedoch selbst zusammengestellte Portfolios. So ist es möglich, gemischte Fonds mit Einzelanlagen oder thematisch strukturierten Fonds zu ergänzen. Je mehr Produktearten der Anleger mit einbezieht, desto komplexer wird die Pflege desPortefeuilles.

Die Optimierung von Portfolios erfolgt auf mehreren Ebenen. Die erste Dimension betrifft den Anteil der verschiedenen Wertpapierkategorien. Möchte ein Investor beispielsweise seinem Depot neue Aktien oder Aktienfonds hinzufügen, ändert sich das Rendite- und Risikoprofil des Portfolios. Bevor die entsprechenden Anlageentscheide getroffen werden, sollten sich die Anlegervergewissern, ob der geplante Investitionsentscheid ihrer Risikoneigung und Risikofähigkeit weiterhin entspricht. Hierbei verliert die jeweilige Börsenlage umso mehr an Bedeutung, je langfristiger angelegt wird: Der «richtige» Zeitpunkt , inden Aktienmarkt einzusteigen, lässt sich von vornherein nämlich nicht bestimmen, da die Kursverläufe von Aktien kurzfristig kaum prognostizierbar sind.

Eine zweite Dimension umfasst die regionale Aufteilung des Portfolios.  Trotz vielen weltweit diversifizierten Produkten halten viele Anleger einen überdurchschnittlichen Anteil an Wertpapieren heimischer Emittenten. Unter Betrachtung dieses sogenannten «Home-Bias» gilt es optimal zu diversifizieren, da der «Bias» spezifische Rendite- und Risikomuster schafft. So können Anleger durch die Kombination bekannter Schweizer Blue Chips mit Schweizer Aktienfonds für Blue Chips gewollt oder ungewollt ein Übergewicht dieses Marktes - beziehungsweise einzelner helvetischer Titel - in ihrem Portfolio hervorrufen. Dies kann bei einem Börsenboom verursachen, dass die Kursentwicklung des Portefeuilles vergleichsweise bescheiden ausfällt, hilft aber - weil viele Schweizer Papiere von konjunkturunabhängigen Gesellschaften stammen - unter Umständen bei Börsenbaissen. Der Anteil Schweizer Blue Chips  sollte daher langfristig optimiert werden. Unter Umständen kann der Aktienbestand mit Werten schweizerischer Klein- und Mittelbetriebe angereichert werden. Darüber hinaus kann es sich auszahlen, den Anteil heimischer Wertpapiere aus Diversifikationsgründen zu verringern, was - in Abhängigkeit der erwarteten Marktentwicklung - sorgfältig geplant sein will.

Eine dritte Ebene stellt die branchenmässige Aufteilung  des Portfolios dar. In der Fachliteratur ist die Frage umstritten, ob die angemessene Diversifikation der Anlagerisiken nach Regionen- oder Branchen-Gesichtspunkten erfolgen sollte. Der Anleger geht diese Frage am besten pragmatisch an. Für ihn ist die Diversifikation nach regionalen Gesichtspunkten meistens einfacher, da für sämtliche Regionen Produkte mit nachvollziehbaren Diversifikationseigenschaften bestehen.Die vollständige Diversifikation nach Branchen gestaltet sich demgegenüber schwieriger, da selbst gewählte Richtlinien für eine vollständige Aufteilung des Portfolios nach Branchen-Gesichtspunkten - sowie deren Umsetzung über entsprechende Anlageprodukte - komplex sind. So dürften viele Anleger die Möglichkeit wählen, regional ausgerichtete Produkte gezielt mit einzelnen Branchenprodukten zu ergänzen. Damit lässt sich das Rendite-/Risikoprofil des Portfolios in Abhängigkeitvon den individuellen Präferenzen steuern. Beispielsweise können Anleger Wertpapiere aus dem Bereich Technologie/Medien/Telekom (TMT) heranziehen, um die langfristig erwartete Rendite - allerdings bei gleichzeitig höherem Preisrisiko - zu steigern. Umgekehrt lassen sich mit defensiven Branchenprodukten (z. B. aus den Bereichen Food oder Health-Care) - bei niedrigeren Renditeerwartungen - Risiken abbauen.

Allerdings sind die Grenzen zwischen Regionen- und Branchenaufteilungen fliessend, da spezifische regionale Ausrichtungen spezifische Branchenausrichtungen bewirken. Wer beispielsweise US-Aktien bevorzugt, dürfte tendenziellden TMT-Sektor (Branchen Technologie, Telekom und Medien) übergewichten. Beim Schweizer Aktienmarkt dominieren demgegenüber die defensiven Branchen Pharma, Finanz und Lebensmittel, so dass sich ein entsprechendes regionales Übergewicht risikomindernd auf das Portfolio auswirkt.

Eine vierte Dimension beschreibt schliesslich die Aufteilung des Portfolios nach Anlagestilen.  So favorisieren viele Anleger bei einer Börsenhausse Titel mit hohem Gewinnwachstum (Growth-Stocks; jüngst vor allem aus dem TMT-Sektor). Demgegenüber stehen bei einer Börsenbaisse konsequent unterbewertete Titel (Value-Stocks) in der Gunst vieler Anleger. Die Unterscheidung nach dieser Dimension ist vor allembei US-Anlegern verbreitet. Anleger in Europa können ebenfalls nach Anlagestilen investieren, um ihre Portfoliorisiken zu variieren. Sie stehen aber einem komplexen Produktangebot gegenüber und holen sich vorgängig vorzugsweise bei einer Fachperson Rat.

Auswahl von passenden Anlageprodukten

Ist die Anlagepolitik festgelegt, gilt es, die angemessenen Valoren aus der Vielfalt des Angebots auszuwählen. Wir legen den Anlegern insbesondere bei kollektiven Instrumenten ein zweistufiges Vorgehen  nahe. Zunächst drängt sich -auf der Basis der Anlageziele - eine allgemeine Orientierung über das Produktangebot auf, um die Auswahl der Produkte zu begrenzen.  Beispielsweise kann der Anleger alle Fonds für Schweizer Blue Chips zusammenstellen. Hilfsmittel sind in erster Linie Performance-Ranglisten und Anlageempfehlungen in der Wirtschaftspresse, Fondsführer namhafter Anbieter sowie Internet-Portale. Diese Hilfsmittel ermöglichen jedoch nur einen ersten Überblick, da sie viele anlagerelevante Informationen nicht abdecken. Beispielsweise verfügen Performance-Ranglisten meistens über keine Risikokennzahlen (z. B. Standardabweichung, Sharpe-Ratio), vergleichen oftFonds mit nichtvergleichbaren Merkmalen, sind unvollständig und rekapitulieren nur eine kurze Performance-Geschichte. So kann beispielsweise ein Fonds für erstklassige Staatsanleihen mit hohem Rating nicht mit einem Fonds verglichen werden, der Wandel- oder Unternehmensanleihen enthält. Die zunehmend verbreiteten Internet-Portale verschaffen ebenfalls einen gewissen Überblick, umfassen aber nicht die gesamte Produktpalette.

Um den definitiven Anlageentscheid  zu treffen, stellt der Anleger in einem zweiten Schritt auf detaillierte Informationen über die auszuwählenden Wertpapiere ab. Rendite- und Risikoeigenschaften, Anlagepolitik, Performance und Kostender kollektiven Anlageprodukte sollte der Investor bezüglich der möglichen Erreichung persönlicher Investitionsziele untersuchen. Die entsprechenden Daten sollten aus schriftlichen Quellenbezogen werden. Dieser Vergleich ist umso wichtiger, als sich die einzelnen Fondsprodukte auch innerhalb der einzelnen Fondskategorien hinsichtlich Anlageuniversum und Investitionsstil immer mehr voneinander unterscheiden.

* Dr. Martin Leber ist verantwortlich für die Fondskommunikation bei der Vontobel Fonds Services AG, Zürich.



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