Erbrecht

bullet1 Letztwillige Verfügung
bullet2 Verfügungsfreiheit ZGB 470

bullet3 Enterbung ZGB 477

Brückenbauer Nr. 39, 26.09.2000

ENTERBUNG: Späte Abrechnung  

Trotz Pflichtteilsschutz kann der Erblasser begründetermassen jemanden ganz oder teilweise enterben. Rechtsanwalt Georges Weber erklärt, wie.

Peter und Paul waren sich am Stammtisch uneinig. Paul wollte seinen Sohn enterben, weil über diesen der Konkurs eröffnet und er wegen mehrfacher Veruntreuung, Urkundenfälschung und Betrugs zum Nachteil seines Arbeitgebers und eines Dritten verurteilt worden war. Peter entgegnete, dass den Kindern in jedem Fall mindestens der Pflichtteil belassen werden muss. Nichtsdestotrotz schrieb Paul in seinem neuen Testament: «Ich enterbe meinen Sohn … im Sinne von Art. 477 Ziff. 2 ZGB, weil dieser mir gegenüber seine familiären Pflichten schwer verletzt hat. Ich bin beschämt und aufs Äusserste beleidigt. Als alleinige Erbin für meinen gesamten Nachlass setze ich meine Schwester ein. Dies ist mein letzter Wille.»

Enterbungsgründe

Tatsächlich ist der Erblasser befugt, einem Erben den Pflichtteil zu entziehen. Entweder, wenn der Erbe gegen den Erblasser oder eine ihm nahe verbundene Person ein schweres Verbrechen begangen oder gegenüber dem Erblasser beziehungsweise einem seiner Angehörigen die ihm obliegenden familienrechtlichen Pflichten schwer verletzt hat. Die Enterbung ist aber nur dann gültig, wenn der Enterbungsgrund im Testament angegeben ist.

Im eingangs beschriebenen Fall richten sich die Verfehlungen aber weder gegen Paul als Erblasser noch dessen Schwester. Auch werden die Verfehlungen von Paul im Testament nicht genau genannt. Der Sohn von Paul könnte das Testament daher innert eines Jahres nach der Testamentseröffnung erfolgreich anfechten und als ungültig erklären lassen, sodass er zumindest den Pflichtteil bekommt.

Die Strafenterbung von Pauls Sohn wäre hingegen erfolgreich, wenn dieser seine Unterstützungspflichten schwer vernachlässigt, nach der Scheidung praktisch nie Alimente bezahlt und sich deswegen vielleicht sogar noch für mehrere Jahre ins Ausland abgesetzt hätte. Oder wenn dieser die Urkundenfälschungen zum Nachteil des väterlichen Betriebs begangen oder bei der Verteilung des grossväterlichen Nachlasses betrogen und veruntreut hätte. Kein Enterbungsgrund liegt dagegen vor, wenn der Vater lediglich mit der Berufswahl, der Heirat eines seiner Kinder oder deren Lebenswandel nicht einverstanden ist.

Vorbeugende Enterbung

Im vorliegenden Beispiel könnte Paul jedoch eine Präventiventerbung vornehmen. Da sein Sohn auf Grund des Konkurses überschuldet ist und erheblich Verlustscheine vorhanden sind, kann Paul die Hälfte des Pflichtteils vor den Gläubigern seines überschuldeten Sohnes schützen und für dessen Nachkommen retten. Immer vorausgesetzt, dass der Enterbte im Zeitpunkt des Erbgangs auch Nachkommen hat.

Sofern Vater Paul seinem Sohn zu Lebzeiten erhebliche Geldbeträge oder andere Vermögenswerte zukommen liess, ganz oder teilweise dessen Alimentenpflichten übernommen hat, muss dieser sich dies bei der Erbteilung ausgleichen beziehungsweise anrechnen lassen. Es sei denn, sein Vater würde ihn testamentarisch ausdrücklich davon befreien.

George Weber, Rechtsanwalt, Wil SG




Art. 477


B. Enterbung
I. Gründe
Der Erblasser ist befugt, durch Verfügung von Todes wegen einem Erben den Pflichtteil zu entziehen:
1{HYPERLINK  \l "7"}. wenn der Erbe gegen den Erblasser oder gegen eine diesem nahe verbundene Person eine schwere Straftat begangen hat;
2. wenn er gegenüber dem Erblasser oder einem von dessen Angehörigen die ihm obliegenden familienrechtlichen Pflichten schwer verletzt hat.



Art. 478


II. Wirkung
1
Der Enterbte kann weder an der Erbschaft teilnehmen noch die Herabsetzungsklage geltend machen.
2
Der Anteil des Enterbten fällt, sofern der Erblasser nicht anders verfügt hat, an die gesetzlichen Erben des Erblassers, wie wenn der Enterbte den Erbfall nicht erlebt hätte.
3
Die Nachkommen des Enterbten behalten ihr Pflichtteilsrecht, wie wenn der Enterbte den Erbfall nicht erlebt hätte.



Art. 479


III. Beweislast
1
Eine Enterbung ist nur dann gültig, wenn der Erblasser den Enterbungsgrund in seiner Verfügung angegeben hat.
2
Ficht der Enterbte die Enterbung wegen Unrichtigkeit dieser Angabe an, so hat der Erbe oder Bedachte, der aus der Enterbung Vorteil zieht, deren Richtigkeit zu beweisen.
3
Kann dieser Nachweis nicht erbracht werden oder ist ein Enterbungsgrund nicht angegeben, so wird die Verfügung insoweit aufrecht erhalten, als sich dies mit dem Pflichtteil des Enterbten verträgt, es sei denn, dass der Erblasser die Verfügung in einem offenbaren Irrtum über den Enterbungsgrund getroffen hat.



Art. 480


IV. Enterbung eines Zahlungsunfähigen
1
Bestehen gegen einen Nachkommen des Erblassers Verlustscheine, so kann ihm der Erblasser die Hälfte seines Pflichtteils entziehen, wenn er diese den vorhandenen und später geborenen Kindern desselben zuwendet.
2
Diese Enterbung fällt jedoch auf Begehren des Enterbten dahin, wenn bei der Eröffnung des Erbganges Verlustscheine nicht mehr bestehen, oder wenn deren Gesamtbetrag einen Vierteil des Erbteils nicht übersteigt.



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